Fluorcarbonschnur, die "unsichtbare Schnur"?

    • Offizieller Beitrag

    [autor=Käptn Blaubär]10.07.05 10:10[/autor]
    Fluorcarbonschnüre sind spezielle Angelschnüre, die verstärkt als Vorfachmaterial (z.B. von Seaguar, RIO, etc.), aber auch als Hauptschnur ( z.B. Berkley "Vanish", Platil "Ghost" etc.) angeboten werden. Es sind verschiedene Namen im Umlauf: "Fluorocarbonschnur", "Fluocarbonschnur" (obwohl die Schnüre keineswegs fluoreszierend sind!) usw., gemeint ist aber immer das Gleiche, nämlich PVDF.


    Material:
    Normale monofile Schnüre bestehen in der Regel aus mehr oder weniger stark oberflächenbehandeltem Nylon (Polyamid). "Fluorcarbonschnüre" bestehen (wie der Name schon andeutet), aus einer Fluor-Kohlenstoffverbindung dem sog. PVDF (Polyvinilidenfluorid).


    Optische Eigenschaften:
    Die, für uns Angler angeblich (laut Hersteller!) wichtigste Eigenschaft von PVDF ist die optische Dichte. Diese wird mit Hilfe des sog. Brechungsindex beschrieben. Dieser liegt mit 1.42 sehr viel näher beim Brechnungsindex von Wasser (1.33) als das bei normalen Nylon mit 1.53 der Fall ist. Um zu verstehen, was das bedeutet, ist ein kleiner optischer Exkurs nützlich:
    Zunächst mal muss man die Begriffe "durchsichtig" und "unsichtbar" klar unterscheiden. "Durchsichtig" sind all lichtdurchlässigen Materialien, also insbesondere auch die meisten Angelschnüre (insbesondere die nicht eingefärbten klaren Schnüre). Natürlich sind solche Materialien auch viel schwerer zu erkennen, als lichtundurchlässige Stoffe. Jeder der schon mal in eine Glastür gelaufen ist, hat das (schmerzhaft!) erfahren, bei einer Mauer wäre das sicher nicht passiert! Trotzdem, völlig "unsichtbar" sind die Materialien in der Regel nicht, und das gilt auch für die Angelschnüre (sonst wär das Knotenbinden noch mühseliger ;) ). Das liegt daran, dass an der Grenzfläche zwischen Materialien unterschiedlicher optischer Dichte (d.h. mit unterschiedlichem Brechungsindex), das Licht gebrochen und auch teilreflektiert wird. Dadurch wird diese Grenzfläche sichtbar und bei den "runden" Schnüren ist dieser Effekt noch stärker, als bei planen Flächen, wie einer Glasscheibe.
    Je geringer der Unterschied in den Brechungsindizes ist, desto kleiner ist dieser Effekt, daher sind also PVDF-Schnüre im Wasser tatsächlich auch (geringfügig) "unsichtbarer" als Nylonschnüre. In der Luft gilt das übrigens nicht in dem Maße, deren Brechnungsindex liegt bei 1, da spielen dann die Unterschiede von 1.42 zu 1.53 kaum noch eine Rolle. Es ist sogar so, dass PVDF-Schnüre (insbesondere die dicken Meeresschnüre) in Luft nicht einmal richtig "durchsichtig" sind, das ändert sich allerdings im Wasser!


    Weitere Eigenschaften:
    PVDF-Schnüre sind sinkende Schnüre und außerdem abriebfester und UV-beständiger als Polyamidschnüre, dafür haben sie bei gleicher Dicke aber eine geringere Tragkraft (ca. 30 %).


    Eignung zum Angeln:
    Das Konzept der (im Wasser) unsichtbaren Schnur ist für Angler natürlich sehr attraktiv und daher wird, von den Herstellern dieser Schnüre, dieser Effekt auch besonders hervorgestellt, ich würde sogar sagen "überstrapaziert", denn immerhin sind die Brechungsindizes von Wasser und PVDF noch deutlich unterschiedlich. Aber davon kann sich ja jeder selber ein Bild machen, in dem er einfach die Schnüre mal zum Vergleich in ein Glas Wasser hängt und sich das Ganze mal anschaut. Also ich war nicht übermäßig beeindruckt ...
    Trotzdem schwören eine Menge Angler auf die geringere "Scheuchwirkung" dieser Schnüre, aber wieviel davon Wunschdenken oder echter Effekt ist, kann ich leider auch nicht sagen. Als Vorfachmaterial beim Fliegenfischen macht es aber vielleicht durchaus Sinn, obwohl ein Teil des "Unsichtbar"-Effektes sicher wieder dadurch neutralisiert wird, dass man ja wegen der geringeren Tragkraft etwas dickere Schnüre verwenden muß. Die einzige sinnvolle Verwendung als Hauptschnur sehe ich beim Matchangeln mit Wagglern, da dort ja eine sinkende Schnur gefragt ist und die geringere Scheuchwirkung wäre dann sicher ein angenehmer Nebeneffekt.
    Dringend abraten würde ich von der Verwendung als Stahlvorfachersatz, da müßte man dann so dicke "Seile" verwenden wie beim Big-Game Angeln (von 60 lbs an aufwärts), und die sind dann steif und unhandlich (und teuer) und auch im Wasser alles andere als unauffällig. Als Spinnstangenersatz mögen sie aber auch hier durchgehen ("unsichtbarer" als Stahldraht sind sie auf jeden Fall :)), aber das muss jeder selbst wissen.