Ostseetörn 2

  • Hallo, habe meinen Bericht jetzt hierher kopiert. Anmerkungen bitte nur HIER


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    Freitag, 10.10.08, 16:10 Uhr. Mein Handy klingelt, im Display leuchtet ‚Dennis‘ auf.


    Wer den ersten ‚Ostseetörn‘ gelesen hat, der erinnert sich. Dennis ist der Skipper, bei dem ich auf der Jacht war.
    Es war wieder soweit.
    Das Wochenende versprach schön zu werden. Ich konnte meinen Sohn überreden und er wollte dann auch mit.


    Wir schleppten unseren Kram auf die Straße. Dennis war mit seinem Pickup schon da.
    Jetzt mussten wir nur noch nach Heiligenhafen. Es ist Feierabendverkehr und zudem Ferienbeginn.
    So standen wir dann auch recht schnell im Stau. Letztlich brauchten wir 2-einhalb Stunden für 130 km!


    Der Freitagabend wurde im Hafen verbracht. Wir köpften ein paar Bierchen und laberten über dies und das. Mein 18jähriger Sohn bekam von Dennis eine Einweisung in die Sexualkunde, in dem er über seine ‚Bekanntschaften‘ redete. Ich glaube, mein Sohn hat seinen Wortschatz um diverse neue ‚Wörter‘ ausbauen können. Ich lass es einfach einmal dabei bewenden!!!! :P
    Er ging kurz nach Mitternacht in die Koje, Dennis und ich laberten noch eine ganze Weile weiter.


    Jan muss schon recht früh auf gewesen sein. Er hatte frische Brötchen und Zeitung gekauft. Ich bin so gegen 10 hoch. Dennis brauchte etwas länger!
    Wir liefen dann auch recht zeitnah aus. Das Wetter was super.


    Der Wind blies mit 4-5 aus Süd-West. Also begaben wir uns zuerst auf die Ostseite Fehmarns und ankerten Höhe Katharinenhof. Dort waren auch andere Angler und auch Hochseeangelkutter. Es schien also was zu gehen!
    Leider fingen wir nur 2 Klieschen, die in einer Pfanne verdampft wären. Sogenannte Dias, denn man konnte hindurchschauen! :rolleyes:


    Es war trotz allem ein recht kräftiger Wellengang, der das Schiff ganz schön schaukeln ließ. Als hier nichts mehr an den Haken ging, verlegten wir etwas weiter. Auch hier ein paar kleine Angelboote. "Die werden sicher nicht zum Spaß hier sein!!!"
    Aber es war wieder nur so eine Briefmarke dran.


    Dennis hatte beim letzten Mal mit seinem Vater höhe der grünen Tonne am Fahrwasser von Puttgarden geangelt und viele und gute ‚Platte‘ gefangen. Also verlegten wir nochmals.
    Aber neulich ist nicht heute und so waren wir auch hier ohne Erfolg. Dennis entschied sich aufgrund der Dünung, die einen sicheren Stand an Deck unmöglich machte, wieder Richtung Heimat zu fahren. Also fuhren wir ganz um Fehmarn herum. Mein Sohn durfte ans Ruder und an der Nord-West Ecke bekamen wir einige heftige ‚Schläge‘ ab.


    Die Brecher waren zwar nur einen Meter hoch, doch das reicht aus, um das Boot ganz schön springen zu lassen!
    Kurz vor der Süd-West-Küste versuchten wir es erneut. Wir konnten den Grund sehen und der versprach eigentlich Gutes. Das Boot 'rollte' heftig, aber wir versuchten es trotz Allem. Doch es wollte nichts anbeißen.


    Der Tag neigte sich auch schon zu Ende und wir hatten einen schönen Sonnenuntergang.


    Dennis wollte nach Graswarder, nördlich von Heiligenhafen. Dort ist Sandgrund und die Fischer dort haben offensichtlich sehr gute Erfolge.
    Am Ende entschied er sich jedoch wieder für eine Kuhle nördlich des Gewerbegebietes von Heiligenhafen. Dort hatte ich im Sommer meine Mefo und auch einen Horni gefangen. Hier ließen wir wieder den Anker runter und wir wollten die Nacht über draußen bleiben.


    Es dauerte auch gar nicht lange, als die Glocken der Ruten sich bemerkbar machten. Aber die Hoffnung war verfrüht. Es waren nur ‚Honkong-Dorsche‘!
    15 cm lang, aber ne Klappe wie Große!


    Ich brauche hier auch nicht weiter zu berichten, da es nichts weiter zu berichten gibt.


    Jan ging nun vor Mitternacht ins Bett. Er wollte nicht zu lange schlafen, da er sonst Sonntagabend nicht einschlafen kann.
    Dennis und ich warfen immer wieder den Generator an, um Teewasser zu kochen. Natürlich mit ‚Geschmack‘!


    Es war nach Mitternacht, als die neu eingebaute Standheizung ihren Geist aufgab. Der Generator wollte auch nicht mehr anspringen.
    "Sach ma Dennis……..ist das richtig, dass nur noch 18 Volt da sind, wo vorher 28 Volt waren?... ...und warum ist der Tank fast leer?"


    "Der Tank kann nicht leer sein, der war voll und wir haben gerade mal Fehmarn umrundet!" meinte Dennis.


    Irgendwas stimmt nicht!
    Ein Blick in den Motorraum ergab, dass der Generator leckt! 6-8 Liter Öl schwammen in der Bilsch und anspringen wollte er auch nicht mehr. Außerdem roch es kräftig nach Diesel.



    "Wir haben ein Problem….!" bemerkte Dennis und blickte nicht gerade humorvoll!


    "…..wir verlieren Saft! Uns geht der Strom weg! Da muss irgendwo ein Kurzer sein!"


    "Wir sollten besser zurückfahren, solange es noch möglich ist!" schlug ich vor! "Weck den Lütten auf, der muss uns helfen!" ordnete Dennis an.


    Ich stupste meine Sohn an. Er war total benommen und wusste zuerst nicht, wo er war!
    "Jan...du musst aufstehen! Wir haben ein Problem. Der Strom geht aus und wir müssen in den Hafen zurück. Irgend etwas stimmt hier nicht!‘


    Mein Sohn lernt Betriebselektroniker, aber das half jetzt auch nichts. Alle unnötigen Verbraucher wurden ausgeschaltet.


    Dennis versuchte den linken Motor zu starten, doch da rührte sich nichts! "Scheiße!"
    Dann erfasste er den rechten Zündschlüssel: "Ey Alter…bete!"
    Doch der rechte Motor sprang an.


    Ich ging an die Ankerwinde. Aber das Teil zieht Strom ohne Ende. Ich schaffte es gerade, den Anker soweit einzuholen, dass er noch ca. 2 m im Wasser hing! Höher ging nicht, da kein Saft mehr da war!


    Mit hängendem Anker tuckerte Dennis Richtung Hafen. "Gott sei Dank geht das Radar!"
    Aber auch das kackte ab und wir fuhren blind!


    Die Fahrwassertonnen vor dem Jachthafen sind nicht beleuchtet!!!!!
    Jan und ich banden unsere Kopflampen um und postierten uns an der Reling an Back- und Steuerbord.
    Wir ließen unsere Köpfe kreisen und suchten so die Tonnen, die mit reflektierender Folie beklebt sind.
    Inzwischen war es im Inneren des Bootes stockdunkel. Nur der eine Motor bummerte und die Positionslichter glimmten noch.
    Aber so richtig schien er auch nicht rund zu laufen. Mit höchstens 3 Knoten versuchte Dennis krampfhaft im Fahrwasser zu bleiben.
    "Scheiße Mann…..der Tank ist gleich alle. Das kann doch nicht angehen, dass wir eine Tonne Sprit raus gejagt haben! Wo ist der Scheiß Diesel hin?...Wir haben doch nichts gerammt!!!"


    "Vorsicht…..Backbord-Tonne…..nur 2 m Abstand!" rief Jan, als er sie rot im Scheinwerferlicht aufleuchten sah.
    "Anleuchten….halt die Lampe drauf…ich seh' hier absolut nix!!!" schrie Dennis.


    Links die Buhne...sie war beleuchtet. Jetzt waren wir zumindest schon mal im Hafen.
    "Wo willst du ran? In deine Box? Oder irgendwo ran, wo frei ist?" fragte ich.


    "Ich fahr in die Box, aber ich komm nicht weiter. Wir hängen fest!...Scheiße Mann…..ihr müsst irgendwie den Anker hoch kriegen. Zieht ihn von Hand hoch, sonst kommen wir hier nicht weg!" entschied Denis.
    Ich nahm meine beiden Fischlappen, da die Ankerkette schlammig war und ich sie nicht halten konnte. Er lag auf Grund und da Boot wollte nicht weiter. So ein Anker hat Gewicht, aber ich schaffte es, ihn hoch zu ziehen, konnte ihn aber nicht in der Führung einrasten. Die Kette wickelte ich um den Haken auf der Winde.


    Jetzt wurde es ernst. Nur der rechte Motor, also die rechte Schraube dreht sich und wir müssen rechts in die Box. Und der Bugstrahler hat soeben geknallt.
    "Der ist hin……! Alter…wie soll ich das schaffen? ….das wird hammerhart!"


    "Vorsicht…..das Heck….knallst gleich gegen die Boote!" rief mein Sohn.
    Jan und ich rannten nach Achtern und drückten das Boot vom Dalben weg, versuchten, das Heck nach Backbord zu drücken.
    Das war verdammt knapp!


    Dennis kriegte das Boot gedreht, jetzt noch in die Box. Die Dalben sind nur 50cm weiter auseinander, als das Boot breit ist!
    Jetzt rutschte das Boot rein und wir warfen die Heckleinen über die Dalben. Links, in Box 28, lag ein Segler.
    Doch plötzlich drehte sich das Boot in der Box. Der Bug wanderte nach Steuerbord. Dennis hatte die Box 29, statt die 30 getroffen, aber das war jetzt scheiß egal. Auf 31 lag ne Segeljacht. Da ich den Anker nicht ganz in die Sicherung einziehen konnte, ist das wie ein Rammdorn! Das Teil haut ein Loch in den Rumpf der Segeljacht.


    "Alter…spring rüber…egal wie!" forderte Dennis mich auf.


    Ich schaffte es auf den Segler und versuchte das Boot wegzudrücken. Mehrfach betrug der Abstand nur wenige Zentimeter. Aber bis zum Steg waren es noch mindestens 8 Meter.
    "Mach das Tau los, ich zieh‘ euch dann ran..!" rief ich, denn es war in der richtigen Länge festgebunden, wenn das Boot unter normalen Umständen festmacht!
    Wieder musste ich das Boot wegdrücken. Dann rannte ich zum Bug des Seglers.


    Scheiße….2 Meter bis zum Steg…ich bin nicht mehr der Jüngste und dann im Dunkeln! "Hab ich genug Tau? Nicht das ich auf halben Sprung hängen bleibe"! ich sah mich schon, wie ich mit der Brust auf die Stegkante knalle und ins Wasser rutsche!
    ‚Alles klar….genug da…S P R I N G!!!!‘ schrie Dennis.


    Scheiße…wenn das in die Hose geht. Die Bugplattform ist nur tellergroß und rund! Wenn ich da wegrutsch, dann ………der Kupferbolzen machte sich schon bemerkbar! :rolleyes:


    Ich sprang und landete unsanft auf dem schmalen Holzsteg. Knallte mit beiden Knien und mit den Händen auf!
    "Aua…scheiße, tut das weh!" Die Holzbohlen sind geriffelt, um sie Rutschsicherer zu machen.
    Die Knie fühlten sich an, als würde dort das Blut raus spritzen! Trotzdem…das Boot geht vor. Ich zog und zog.
    Von der Nachbarjacht guckte der Skipper hoch und schien teilnahmslos das Treiben zu beobachten. Dennis rief nur, dass er einen Notfall hat…kein Strom und nur eine Maschine! Normalerweise hilft man sich hier ohne lange nachzudenken!


    Plötzlich kam dessen ‚Alte‘ hoch und gab ihren Senf ab…..von wegen Ruhe und dergleichen!


    "Legen sie sich wieder hin man..wir haben einen Notfall!" rief Dennis genervt.
    Doch die ‚Alte‘ konnte es nicht lassen und laberte noch irgendetwas! Das kann Dennis ja gar nicht ab:
    "Leg dich wieder hin.....Wenn man keine Ahnung hat, sollte man einfach mal die Fresse halten!!!" schrie Dennis sie an. Das hatte gesessen und sie verzog sich wieder. War auch besser für sie, weil ..... lassen wir das!


    04:30 Uhr: Endlich war das Boot sicher vertäut. Doch die Anspannungen wirkten noch ne Weile nach!
    Erstmal Kabel anschließen und Landstrom ziehen!


    Dennis war ganz schön fertig: "Scheiße man… der Generator war erst vor `nem viertel Jahr in der Inspektion und ist seitdem so gut wie nicht gelaufen. Das war heute das erste richtige Mal! Wo ist der ganze Sprit hin? Der Generator hat definitiv abgekackt! Der kann doch nicht eine Tonne Diesel raus geblasen haben! Man….der Tank war voll!" (Anmerkung: 1600 Liter)!
    "Ich brauch erstmal n Bier! Das wird bestimmt 5000 € kosten!" meine er.


    "Ich geh ins Bett…" sagte Jan
    "Ich muss auch in die Falle…kann bestimmt nicht einschlafen!" vermutete ich!


    Um 9 war ich wach. Hatte tatsächlich nicht doll geschlafen. Mein Sohn ging's wohl nicht anders. Wir hatten hunger! Also zog ich mich an und ging zum Bäcker. Hier kaufte ich 3 Frikadellen (die lachten mich an und sahen lecker aus! Schmeckten kalt aber nicht besonders!) und 3 belegte Brötchen, da unser Aufschnitt nicht ausgereicht hätte. Dazu noch 2 Kaffee zum Mitnehmen.
    Jan und ich frühstückten erst einmal, während Dennis weiter schlief! Wir legten uns dann jedoch wieder hin und schlummerten noch'n Stündchen.


    Dann packte ich das Angelzeug zusammen. Endlich war auch Dennis hoch.
    Als erstes schaute er auf die Armaturen…….
    Die Batterien waren wieder voll und zeigten 28 V an. Die Tankanzeige …….. wieder in Ordnung. Keinen Sprit verloren, bzw. nicht soviel, wie angenommen. Der Linke Motor sprang wieder an und der Bugstrahler auch!
    Heinzelmännchen? ?-(
    Dennis war sichtlich erleichtert, denn er muss das Boot nächste Woche nach Großenbrode bringen, ins Winterlager.
    "Da soll sich die Werft um kümmern" meinte er nur noch "ich geh da nicht bei!"
    Ich schrubbte das Deck, Jan und Dennis wuschen ab und räumten auf.


    Um 13:30 Uhr waren wir zu Hause.


    Mein Sohn ist kaputt und wird sicher früh ins Bett fallen…ich ebenso.
    Gott sei Dank habe ich Montag frei!


    Tja…..Angeln war nix….Schneider, bis auf diese Honkong-Dorsche!, dafür ‚Äcksch’n!‘


    Ein fast manövrierunfähiges Boot ohne Strom in den Hafen gekriegt und dass mit zwei Landratten an Bord! :piep:
    Am Ende ist alles Gut gegangen, aber es hätte auch anders ausgehen können.
    Wie sehr man doch von der Technik abhängig ist......!!!

    Ich freue mich, wenn es regnet.

    Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.


    Karl Valentin, deutscher Humorist * 4.Juni 1882; † 9.Februar 1948